Dankt den Investoren! - Manchester-City-Fan Ric Turner 11FREUNDE

Publish date: 2024-10-26

Ric Turner, jah­re­lang konnte man eine klare Trenn­linie zwi­schen den Fans von Man­chester City und Man­chester United ziehen. Kann man das heute, nachdem der eins­tige »Arbei­ter­verein« Man­chester City von einem Scheich mit Mil­lionen voll gepumpt wird, immer noch?

Nun, das eins­tige Bild hängt viel­leicht biss­chen schief, doch nicht erst seit der Über­nahme. Die Grund­hal­tung der City-Fans ist aber die­selbe geblieben: Der gemeine Man­chester-City-Fan cha­rak­te­ri­siert sich durch Selbst­ironie, durch Beschei­den­heit, aber auch durch eine eher pes­si­mis­ti­sche Grund­hal­tung. City-Fans sehen sich als Mär­tyrer. Der United-Fan hin­gegen ist schnod­derig, ja, mit­unter arro­gant. Man­chester City ver­steht sich inso­fern immer noch als die Anti­these zu United.

Und das Gros der City-Fans hat immer noch einen Working-Class-Back­ground?

Teil­weise. Natür­lich hat der Anstieg der Ticket­preise dazu geführt, dass diese Fans kaum noch ins Sta­dion gehen können. Der Verein zieht nun mehr und mehr Fans aus der Mit­tel­schicht an.

Kann man die Stadt Man­chester in City- und United-Fans auf­glie­dern?

De facto ist es so, dass es in der Stadt ent­weder United-Fans oder City-Fans gibt – unge­fähr zu glei­chen Teilen. Kaum jemand, der in Man­chester lebt, ist Fan eines anderen Ver­eins. City-Fans gibt es vor­nehm­lich im Süden der Stadt, wäh­rend United-Fans eher im Norden von Man­chester ange­sie­delt sind. Na ja, und Man­chester United hat natür­lich Fans auf der ganzen Welt, diese typi­schen Erfolgs­fans.

Man­chester City hatte über Jahre eine Art Underdog-Image.

Das stimmt. Und gerade auf­grund dessen hatte City immer eine sehr treue Fan­basis. Bei anderen Ver­einen, die in der Ver­sen­kung, in den unteren Ligen ver­schwinden, gehen die Zuschau­er­zahlen oft­mals rapide zurück. Doch als Man­chester City 1998 in die dritte Liga abstieg, hatten wir immer noch einen Schnitt von 30.000 Fans.
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Ver­gleichbar mit einem Klub wie dem FC St. Pauli in Deutsch­land?

Viel­leicht. Auch Citys Fan­kultur hatte in den 80er Jahren ihre Hoch­phase, wir brachten damals zum Bei­spiel als erste Fans auf­blas­bare Bananen in die Sta­dien.

Wie war die Reak­tion der Fans, als zunächst der ehe­ma­lige thai­län­di­sche Pre­mier Thaksin Shi­na­watra und jetzt der Scheich Sulaiman Al Fahim den Verein auf­kaufte?

Eigent­lich waren die meisten Fans froh über diese Über­nahme, denn vor zwei Jahren schauten wir in eine sehr sehr düs­tere Zukunft. Plötz­lich kommen da zwei Inves­toren hin­ter­ein­ander, beide beladen mit einem Haufen Geld, und schufen so etwas wie einen neuen Verein. 

Kaum vor­stellbar, dass es keine Kritik gab.

Es gibt ein paar Wenige, die ihre Zweifel an der Ent­wick­lung und über die Inte­grität der neuen Besitzer äußern. Aber wir sind rea­lis­tisch: Um in der Pre­mier League, im modernen Fuß­ball, auf einem hohen Niveau zu bestehen, brauchst du Geld. Und wir waren bereit, Geld von jedem zu akzep­tieren – unge­achtet dem Hin­ter­grund des Geld­ge­bers.

Alles super also?

Was heißt schon: alles super?! Oft höre ich Sätze wie: »Der moderne Fuß­ball ist Dreck.« Und ja, es stimmt, der moderne Fuß­ball ist Dreck. Das kann ich von ganzem Herzen unter­schreiben. Gerade in Eng­land ist die Fan­kultur am Boden, im Sta­dion ist es dir mitt­ler­weile fast ver­boten deinen Verein richtig zu sup­porten, es gibt viel zu viele Vor­schriften. Die Atmo­sphäre ist des­halb unglaub­lich schlecht. Und wie schon gesagt: Der Durch­schnittsfan, der Fan, der früher laut­stark sein Team nach vorne peitschte, wird auf­grund explo­die­render Preise aus dem Sta­dion gedrängt.

Wieso wehrt man sich nicht?

Es ist unglaub­lich schwierig geworden, die Ver­eins­po­litik zu beein­flussen. Gerade nach den Über­nahmen der Klubs ist es fast unmög­lich geworden. Die Gruppe, die momentan Man­chester City besitzt, ist kaum an den Inter­essen der lokalen Fans inter­es­siert – sie denkt global. Sie wollen den Verein Man­chester City zu einer welt­weit bekannten Marke machen.

Rui­niert eine solche Sicht­weise nicht den Fuß­ball?

Ich glaube, der Fuß­ball wurde schon lange vor sol­chen Über­nahmen rui­niert. Gerade in Eng­land ließ die Vor­herr­schaft der vier großen Klubs – Man­chester United, Arsenal London, Liver­pool und Chelsea – die anderen Klubs wett­be­werbs­un­fähig erscheinen. Die Liga bekam einen ste­rilen Cha­rakter. Heute aber können Klubs wie Aston Villa oder Man­chester City end­lich wieder kon­kur­rieren. Dank den Über­nahmen. 

Gibt es den­noch einen Punkt, an dem du sagst: »Halt! Bis hierhin und nicht weiter!«?

Wenn Man­chester United von jemandem über­nommen wird, der mehr Geld als Al-Fahim hat.

In Deutsch­land gibt es die 50+1‑Regel, die besagt, dass der Verein in einer Aktien- oder Kapi­tal­ge­sell­schaft immer 50 Pro­zent plus eine Stimme halten muss. Inso­fern ist es externen Inves­toren nicht mög­lich, Klubs auf­zu­kaufen. Wünschst du dir eben­solche Ver­hält­nisse
für die Pre­mier League zurück?

Das Ideal für mich ist viel­mehr das spa­ni­sche Modell – ich denke da an den FC Bar­ce­lona oder Real Madrid. Dort besitzen die Fans die Klubs und die Vor­stände werden demo­kra­tisch gewählt werden. Aber das wird in Eng­land nie pas­sieren.

Glaubst du diese unkri­ti­sche Hal­tung zur Über­nahme beruht auch auf der Tat­sache, dass Man­chester City seit 1968 keine Meis­ter­schaft mehr gewonnen hat? Dürsten die Fans ein­fach nach einem Erfolg?

Ich bin 31 Jahre alt und seit ich Fan von City bin, hat die Mann­schaft nicht einen ein­zigen Pokal gewonnen. Ich glaube, den meisten City-Fans geht es ähn­lich wie mir: Es ist ihnen egal, durch welche Mittel der Klub die Meis­ter­schaft gewinnt, sie wollen die Mann­schaft ganz ein­fach über­haupt einmal einen Pokal gewinnen sehen. 

Bald ist Man­chester City also nicht mehr die Anti­these zu United. Der Klub wird zur Kopie.

Ja, dessen sind wir uns bewusst. Und natür­lich ist das besorg­nis­er­re­gend. City wird plötz­lich Fans auf der ganzen Welt haben, diese Erfolgs­fans, diese »Glory Hun­ters« werden im Sta­dion sitzen. Der Klub Man­chester City wird sich wan­deln – zu einem Klub mit Eigen­schaften, die wir eigent­lich immer gehasst haben.

Ric Turner ist 31 Jahre alt und war 1985 zum ersten Mal bei einem Spiel von Man­chester City. Er ist der Gründer des Fan­clubs Blue­moon.

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